Hafer – das Kraftfutter Nummer 1

Hafer ist das traditionelle Kraftfuttermittel für Pferde. Das Korn liefert dem Pferd wertvolle Nährstoffe vielerlei Art und ist in den meisten Fällen sehr verträglich. Trotzdem kam der Hafer vor allem in den 80ger und 90ger Jahren in Deutschland aus der Mode. Er wurde verteufelt und verschmäht – zu Unrecht wie ich finde.

Der Gaul spinnt – ist der Hafer wirklich schuld?

In den letzten 40 Jahren hatte der Hafer den Ruf, Pferde „irre“ oder „spinnig“ werden zu lassen. Gleichzeitig kamen Mischfuttermittel wie Pferdemüslis in Mode. Und auch heute sind viele Mischfuttermittel explizit haferfrei und immernoch spukt in den Köpfen der Pferdebsitzer die Idee, dass Hafer „sticht“. Das stimmt auch – immer in den Fällen, wo zu viel Hafer auf zu wenig Bewegung trifft. Hafer als Kraftfutter ist immer dann einzusetzen, wenn bei einer ad libitum Raufuttergabe der benötigte Energie- und Eiweißbedarf nicht gedeckt werden kann. Aber häufig wird Hafer ohne Rationsbilanzierung und kritische Evaluation des Nutzens gefüttert -„weil man das so macht.“ Der Effekt davon ist ein waches Pferd was sein volles Bewegungspotenzial entfalten kann, weil nun genug Energie und Eiweiß vorhanden ist. Und zwar in alle Richtungen gleichzeitig, explosiv und oft wenig kontrollierbar. Diese Entladung der Lebensfreude und des Energieüberschusses finden die meisten Reiter wenig lustig. Dabei ist das Problem nicht der Hafer an sich, sondern zu viel Hafer und zu wenig Bewegung.

Botanisch gesehen gehört die Haferpflanze zu der Familie der Süßgräser. Auch auf den Weiden ist er im gesamten europäischen Raum heimisch, sollte aber keinen dominanten Anteil der Pferdeweide ausmachen.

Hafer ist eine wertvolle Futterpflanze für Pferde. Beinahe jeder Teil der Haferpflanze in fast jedem Vegetationsfortschritt kann in der Pferdeernährung verwendet werden. Man bekommt daher heute nicht nur deutschen Hafer in Pferdefuttergeschäften, sondern auch Premiumhafer, französischen und den schweren skandinavischen Hafer. Hafer ist im Gegensatz zu anderen Getreidearten weniger Anfällig für Schädlinge oder Pilze vor der Ernte. Daher werden bei Hafer sehr häufig wenig oder keine Pestizide und Fungizide eingesetzt. Das macht Haferprodukte generell für Pferdebesitzer interessant. Auch der Einsatz von Halmverkürzern ist im Haferanbau eher selten. Da die Erträge sowieso geringer sind als bei Gerste oder Weizen, wird auch hier in der Regel auf den Einsatz dieser chemischen Präparate verzichtet.

Neben dem Getreide bekommt die Nutzung der kompletten Haferpflanze vor der Reife immer mehr Gewicht in der Pferdeernährung. Der sogenannte Grünhafer ist in vielen Mischfuttermitteln als Grünmehl oder auch als Strukturkomponente zu finden.

Grün ist die Hoffnung

Bei Grünhafer handelt es sich um die ganze Pflanze vor der sogenannten Milchreife. Das bedeutet, dass die Haferpflanze zwar schon geblüht hat, aber noch nicht damit begonnen hat ihre Frucht, also die Haferkörner auszubilden. In dieser Zeit ist das Haferblatt sehr breit und auf maximale Photosynthese ausgelegt. Sie hat also den Zenit ihres Blattwachstums erreicht. In dieser Situation wird die grüne Pflanze gemäht, wie Heu getrocknet und als Grünhafer angeboten. Die meisten Grünhafer sind warmluftgetrocknet, d.h. nicht auf dem Feld, sondern in großen Belüftungsanlagen.  Das sorgt für eine gleichbleibende Qualität und macht die Grünhaferernte weitestgehend unabhängig vom Wetter möglich. Grünhafer ist damit dem Raufutter zu zuordnen. Mit einem Energiewert von 5,5-7,5 MJ ME ist der Grünhafer variabel im Energiebereich und mit fast 60-80g dünndarmverdaulichem Rohprotein eine adäquate Eiweißquelle. Er ist jedoch eine Monokultur und sollte daher nicht als alleiniges Raufutter dienen. Als Strukturkomponente in Kraftfutterrationen ist er jedoch gut geeignet. Dadurch dass es sich beim Grünhafer um Raufutter handelt, ist der Stärkeanteil natürlich sehr gering. Allerdings hat Grünhafer einen recht hohen Eigenfettanteil. Grünhafer ist also ein potentes Futtermittel

Pummelig ist okay

Die Haferqualität bemisst sich nach verschiedenen Aspekten. Der erste davon ist das sogenannte Litergewicht. Ein guter Hafer sollte mindestens ein Litergewicht von 500g aufweisen. Je schwerer desto besser.
Je schwerer der Hafer ist, desto höher ist sein Gehalt an Stärke, aber vor allem auch an Aminosäuren, Mengen- und Spurenelementen. Es ist also nicht nur der Stärkegehalt der mit dem Gewicht steigt, sondern der gesamte Nährstoffanteil. Besonders der Bereich der Mengen- und Spurenelemente ist allerdings auch stark abhängig von dem Gehalt im Boden beim Wachstum. Je schwerer ein Haferkorn, desto bauchiger ist es. Die Form des Haferkorns ist also auch ein Qualitätsmerkmal. Je runder und dicker es ist, desto schwerer ist es auch. Wie schwer Hafer ist, lässt sich neben der Waage auch mit dem Wasserglas-Test sichtbar machen. Dazu gibt man eine gute Hand voll Hafer in ein Glas mit Wasser. Je mehr Hafer in den ersten 20 Minuten absinkt, desto schwerer und hochwertiger ist er. Schwimmt viel Hafer oben im Glas, ist er leichter und weniger gehaltvoll. Hat man ihn schonmal im Glas, kann man auch direkt sehen ob der Hafer verunreinigt oder sehr staubig oder schmutzig ist. Das ist ein angenehmer Beieffekt dieser Wasserglasprobe.

Die Haferstärke ist bis zu einer Menge von 2 g / kg Körpergewicht sehr gut zu verdauen. Pferde haben allerdings im Gegensatz zu anderen Tiere eine eingeschränkte Amylaseaktivität. Das bedeutet, dass sie durch das Verdauungsenzym Amylase Stärke verdauen können, aber nicht unbegrenzt. Hafer hat einen gemittelten Stärkegehalt von 50-55%. Das bedeutet, dass die Obergrenze der Hafergabe bei rund 400 g Hafer pro 100 kg Körpermasse liegt. Wird darüber hinaus Kraftfutter benötigt, muss man auch andere Kraftfutterarten mit in Betracht ziehen, die weniger Stärkehaltig sind.
Hafer ist zudem reich an Mengen- und Spurenelementen. Anders als in Heu und Gras, ist jedoch vor allem das Verhältnis von Kalzium und Phosphor zu beachten. Denn der Phosphorgehalt im Hafer ist relativ groß, sodass vor allem bei der Gabe von mehr als 50 g / kg Körpergewicht bei der Wahl des Mineralfutters darauf geachtet werden muss, dass zusammen mit dem restlichen Futter das Calzium-Phosphorverhältnis von 3:1 wieder erreicht wird.

Graues Grausen

Hafer sollte – je nach Sorte – goldgelb sein, angenehm duften und frei von Schmutz und Staub sein. Genau wie bei Heu sollte Hafer auch 6 Wochen lagern, bevor er verfüttert wird. Eine graue Farbe und muffiger Geruch zeigen an: Der Hafer ist pilzig. Auch Milben, Kornkäfer und Nagetiere gehören selbstverständlich nicht in den Hafer.
Ist der Hafer erst grau und fies, ist er natürlich nicht mehr zu verfüttern und stellt eine gesundheitliche Gefahr für das Pferd dar. Hat man jedoch einen offen liegenden Komposthaufen, gedeiht er dort als Kompostierhilfe noch sehr gut.

Wenn man Parasiten fern hält, lagert sich ungequetschter Hafer ein gutes Jahr lang, sofern er dunkel, kühl und trocken gelagert wird. Dabei verliert er bei idealer Lagerung auch nur mäßig an Inhaltsstoffen. Anders sieht es natürlich bei gequetschtem Hafer aus. Früher ist man davon ausgegangen, dass Hafer auf jeden Fall gequetscht werden sollte um ihn verdaulich zu machen. Heute weiß man, dass es nur nötig ist ihn zu quetschen, wenn das Pferd Zahn- oder Kieferprobleme hat. Denn durch das Aufbrechen des Korns verbessert sich die Verdaulichkeit um gerade einmal 3 %. Besonders im Freizeitbereich fällt das kaum ins Gewicht.

Viele Pferdebesitzer finden bei ganz gefüttertem Hafer oft noch Körner im Kot des Pferdes. Das ist jedoch kein Problem. Die Darmflora des Pferdes hatte viel Zeit das vermeintlich unversehrte Korn zu verdauen. Ein einfacher Test um dies zu belegen ist das Absammeln der Haferkörner aus dem Kot. Diese müssen dann mehrere Tage getrocknet werden. Nach dem Trocknen wiegt man sie und wird direkt sehen, dass das vermeintlich ganze Haferkorn höchstens die Hälfte wiegt wie vor der Fütterung. Aber bitte zieht euch Handschuhe an wenn ihr im Pferdemist rumpult.

Hat das Pferd nur noch wenig Zahnmaterial ist das Quetschen durchaus sinnvoll. Gequetscht kann man ihn auch 3 Stunden in handwarmen Wasser vorquellen lassen. Allerdings muss der gequetschte Hafer innerhalb von 48 Stunden verfüttert werden, danach ist er ranzig.